Über die Mittwochsrunde zu Wismar
Die „Geburt“.
Die Geburtsstunde der Mittwochsrunde zu Wismar ist schnell erzählt: „Am 18. April 1991 gab es mit dem damaligen Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Conrad-Michael Lehment (FDP), gemeinsam mit der Bürgermeister Dr. Rosemarie Wilcken in der Aula der großen Stadtschule ein Treffen mit Unternehmer und wirtschaftlich interessierten Bürgern zu Fragen der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung der Hansestadt Wismar. Alles war nach der „Wendezeit“ noch in Aufbruchsstimmung und so verlief auch die Diskussion. Die Diskutanten kamen aus Ost und West und jeder gab seine „guten Ratschläge“ hinzu.
Nach der Veranstaltung trafen sich die Wismarer Uwe Steinhagen, Hanjo Volster, Hans-Jürgen-Wergin, Andreas Minks und der Lübecker Klaus Völsen in einem Restaurant am Markt noch zu einem Bier, um den Abend mit Diskussionen ausklingen zu lassen. Zu ihnen gesellte sich Dirk Bergeest, damals kaufmännischer Leiter bei Züblin Wismar und aus dem „Westen“ kommend. Es ging hoch her und die zündende Idee des Abends war, dass man sich doch alle 14 Tage zu einem Abend mit Unternehmern und weiteren Personen an einem bestimmten Ort zu einem Gedankenaustausch treffen sollte.“ Die Treffen fanden im Ziegenkrug statt und die Mittwochsrunde zog 2006 in das Hotel & Restaurant „Wismar“ in die Breite Straße um.
Das Geheimnis.
Wer nun denkt, dass dies nur ein rein geselliger, bierfröhlicher Abend alle 14 Tage ist, der irrt gewaltig. Ein straffer Jahresplan, von den Sprechern erstellt, bringt Abwechslung und die Meinung der Runde ist gefragt. Sogar die ansonsten sehr resolute „Rosi“ Wilcken kam ganz „zahm“ zum Gespräch und wenn Wahlen anstehen, wagt es kein Kandidat, hier nicht zu erscheinen. Nun ja, dass jeder Wirtschaftsminister unseres Bundeslandes hier zum Neujahrsempfang erscheint, ist schon ein Phänomen, das nur durch die Ausstrahlungskraft der Gesprächsrunde zustande kommen mag. Es ist aber etwas anderes, was diese Runde ausmacht, wenn man an die Gründungswurzeln herangeht. 1991 trafen im wirtschaftlichen Umfeld Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen und Regionen mit verschiedenen Weltanschauungen und auch politischen Ansichten aufeinander. Dies ist in vielen Teilen Deutschlands nicht immer glimpflich abgegangen. In Wismar war und ist es Dank der Mittwochsrunde anders. Ost und West, Frauen und Männer, setzten sich an einem Tische, tranken Bier und Wein, aßen ihr „Krabbenfrühstück“ und erzählten sich gegenseitig ihre Erfahrungen. So verstand „West“ warum „Ost“ so dachte und handelte und umgekehrt war es auch so - eine unschätzbare Kostbarkeit im Miteinander eines über vierzig Jahre getrennten Landes. Diese Aufbauarbeit machte die Mittwochsrunde so wertvoll, dass sie ganz ohne Statuten und geschriebene Regeln auskommt und sich freiwillig den ungeschriebenen Regeln und dem Wort ihrer Sprecher unterordnen.Man kann im Land lange suchen, wo es eine Unternehmergemeinschaft gibt, die nach diesen Regeln arbeiten und das Handeln eines Ehrbaren Kaufmannes so verinnerlichen!
Das ist das Geheimnis der alle 14 Tage tagenden Mittwochsrunde. Dann zwar nicht in Höchstbesetzung, die schwillt beim berühmten Neujahrsempfang schon mal auf über 120 an, aber klein und fein.
Das Miteinander mit der Politik.
Natürlich ist der Wirtschaftsminister wie jedes Jahr da, außer 2010 und das hätte bald zu „diplomatischen Verwicklungen“ führen können, wenn nicht der Staatssekretär den beinahe angerichteten „Flurschaden“ wieder gut gemacht hätte.
Die Kommunalpolitik kommt auch nicht zu kurz. Bürgermeisterin „Rosi“ Wilcken machte ihre Abschiedsrede und richtig hoch schoss manchen angegrauten „Mittwochsrundling“ das Herz, als die relativ junge Landrätin Birgit Hesse nun schon zum wiederholten Male bei ihnen zu Gast war. 2010 war Bürgermeisterwahl in Wismar und jeder Kandidat kam in die Runde und wurde auf „Herz und Niere“ geprüft. Dass am Ende Thomas Beyer von der SPD das Rennen mit klaren 64 Prozent bei fünf Bewerbern machte, war der Mittwochsrunde schon recht, denn sie sind für klare Verhältnisse und Thomas Beyer für sie kein Unbekannter.
Die soziale Ader
Ein guter Verein hat einen Schatzmeister, aber was macht die Mittwochsrunde, die keinen Beitrag erhebt und doch Gutes tun will? Bei jedem Treffen geht der „Pott“ um und dies nimmt der schatzführende Sprecher an sich, vermeldet die Summe und schreibt sie in sein Buch – so wie es die Hanseaten und die Ehrbaren Kaufleute machten. Von dieser kleinen Kasse profitieren viele soziale Projekte, Stiftungen, Schulen und Kindergärten. In den letzten Jahren machte sich der Verein Licht am Horizont aus Wismar stark für sozial benachteiligte Kinder und so ist es nicht verwunderlich, dass hier geholfen wird. Jedes Projekt wird in der Runde genau durchgesprochen, einiges auch verworfen und genau auf die richtige Verwendung geachtet. Es sind eben Kaufleute im besten hansischen Sinne.
Das diese Gemeinschaft nicht nur an sich denkt zeichnet sie aus. Sie schaut auch in andere Bereiche hinein und gerne werden Einladungen zu Unternehmensbesuche oder zu gesellschaftlichen und sozialen Einrichtungen wahrgenommen. Damit sind sie immer wieder aktuell auf dem neuesten Stand und widerspricht dem immer wieder aufkommendem „Gerücht von einer launigen Bierrunde“, aber in diese wäre etwa Harald Ringstorff, Jürgen Seidel, Otto Ebnet oder gar „Rosi“ Wilcken, um nur einige wenige zu nennen, gar nicht erst gekommen. Es muss schon ein etwas ernsterer Hintergrund sein.
Die Tradition
Ganz so ernst wird es einmal im Jahr beim jährlichen Grillen nicht. Rundum geht die Reihe derer, die mal ein Fass Bier dazu spendieren oder das Essen großzügig begleichen. Dann ist freie Themenwahl und da wäre manch ein Politiker besser nicht dabei!
Den leider früh verstorbenen agilen Peter Lammert ehren sie jährlich mit dem „Peter-Lammert-Gedächtnistörn“ auf der Wismar Bucht und Peter hätte sich gefreut, wenn er seine Kollegen so fröhlich beim Absegeln hätte sitzen sehen können. Er war es, der die Initiative „Pro A 20“ ins Leben rief, die einen wertvollen unterstützenden Beitrag zur Fertigstellung der wichtigen Ost-West-Magistrale und später auch der A 14 nach Schwerin leistete.
Wenn auch die Gründer der „Mittwochsrunde“ teilweise ergraut sind, so fühlen sie sich fit, ihre Erfahrungen weiter zu geben. Dies wird gerne angenommen und längst sind neue, jüngere Gesichter in der Runde zu sehen. Sie werden einmal das ausgegebene Ziel, das gegenseitige Verständnis im Miteinander zu fördern, sicher weiter verfolgen.
Die Erfahrungen.
Die Mittwochsrunde braucht keine Vorbehalte aus Ost und West mehr beiseite räumen, aber ihre gesammelten Erfahrungen werden wertvoller und die gilt es zu bewahren. Ein kluger Kaufmann denkt weit über seine Lebenszeit hinaus und schafft die Voraussetzungen, dass das was er erschaffen hat, auch weiter Bestand hat. Das zeichnet ihn aus und mit dieser Lebens- und Berufseinstellung will er Vorbild für die Politik sein. Vielleicht ist das auch der Grund, warum sich Landes- und Kommunalpolitiker so wohl in der Runde fühlen. Hier versteht man einander!
Detlef Schmidt